Gabriella hatte mich vor sehr langer Zeit gebeten, diesen Text über ihren Sommerurlaub 2009 in Südtirol zu übersetzen. Getreu dem MOtto: "Was lange währt", hier nun der Text...
REPORTAGE
Von dem Moment an, an dem ich erfuhr, dass der Heilige Vater in diesem Jahr nach Südtirol in Urlaub fahren würde, war ich sehr erfreut. Auch freute ich mich zu hören, dass er nach Brixen fahren würde, denn ich hatte mir so gewünscht, dass er dorthin noch einmal zurückkehren könnte und auch für mich bedeuten die Berge Südtirols die Erinnerung an eine Vielzahl unvergesslicher Sommerurlaube, die ich selbst dort verbracht habe und vielleicht würde ich somit auch noch einmal dorthin zurückkehren können.
Sofort begann ich mit der Suche nach einer Unterkunft in diesem Ort, wenngleich ich auch nicht wirklich davon überzeugt war, dass ich dorthin fahren können würde (denn zu viele Streitigkeiten und zu vielen Diskussionen würden einem solchen Projekt vorausgehen und weitere würden leider folgen), noch war ich mir wirklich sicher, dass ich dorthin gehen würde.
Bis zu dem Zeitpunkt, als ich erfuhr, dass der Bruder des Papstes Monsignor Georg Ratzinger auch nach Brixen anreisen würde …
Im Vorfeld meiner Reise hatte mich Michelle, meine teure Freundin aus Stuttgart, die schon längere Zeit ein Zimmer in Brixen reserviert hatte, eingeladen, auch dorthin zu kommen und eventuell auch im gleichen Hotel Quartier zu nehmen.
Aus Frankreich würde auch Béatrice mit ihrem Ehemann Vincent anreisen.
Aber ihr elegantes Hotel erwies sich für mich als zu teuer und deshalb suchte ich nach einer anderen Unterkunft.
Nachdem ich einige demoralisierende Telefonate geführt hatte und dank eines Hinweises einer der letzten Vermieterin, die ich kontaktiert hatte, schickte mir eine ältere Dame ein Adresse, die in den touristischen Faltblättern nicht aufgeführt ist. Dank dieses Hinweises, rufe ich in einer Herberge an und anstatt immer wieder dieses x-malige und ärgerliche “Alles ausgebucht” zu hören, erfahre ich fast ungläubig, dass man dort noch über diverse freie Zimmer verfügt und diese noch dazu zu einem angemessenen Preis zu haben sind. Ich hatte dies schon nicht mehr zu hoffen gewagt!
Im März reservierte ich mir ohne Probleme ein Einzelzimmer und ohne dass ich eine Anzahlung leisten musste. Welch ein Glück!
Die Zugfahrscheine habe ich erst sehr viel später gekauft. Diese fand ich zu Werbezwecken und muss dafür sehr viel weniger ausgeben, als ich gedacht hatte.
Dieses Mal reise ich übrigens allein.
Wir hatten keine präzisen Absprachen getroffen, aber wir waren überein gekommen, uns vor Ort zu treffen.
Erster Teil der Reise: Abfahrt aus Triest mit mehr als 20 Minuten Verspätung, um das Umsteigen einiger Passagiere eines Zuges der in Richtung Rom fuhr zu ermöglichen, der am Vormittag ausgefallen war, wahrscheinlich in Folge technischer Probleme wegen des starken Regens der vorangegangenen Nacht.
Wenigstens bis Venedig blieben all diese Leute stehen, in einem über alle Grenzen des Fassungsvermögens hinweg überladenen Konvois darüber hinaus noch sehr heiß, da die Klimaanlage, auch wenn man an ihr drehte, nicht funktionierte …
Unter ihnen war eine vornehme, aber unruhige Frau aus Triest, die sich links neben mich setzte, während eine sehr Junge Dame aus England, die im Übrigen mit voluminösen Trolleys ausgestattet war, setzt sich vor mich, neben das offene Fenster.
Zweiter Teil der Reise: nach mehr als eineinhalb Stunden eines lästigen Aufenthalts in der schwülen und übervollen Station von Mestre, fahren wir endlich in Richtung Brixen weiter.
Glücklicherweise finde ich meinen reservierten Platz in einem angenehm frischen Zugabteil: vor mir sitzt ein junger Mann aus Bayern, der auf dem Weg nach München ist, der Endstation des Zuges, neben ihn setzt sich eine drollige, junge Ordensschwester, die in Padua zugestiegen ist und die nach Trient weiterfährt, um dort einige Tage Urlaub zu machen. Sie machte sich zu einem bestimmten Zeitpunkt, da es auch schon Mittagszeit war, daran macht einige Gabeln “Maccheroni all’Arrabbiata” zu essen, die sie aus den Tiefen einer kleinen und bescheidenen Tasche hervorzauberte und später nickte sie lächelnd mit dem Rosenkranz in der Hand ein…
Ich komme am Samstag, dem 9. August pünktlich in Brixen an, so kurz nach 17 Uhr, genau zu dem Zeitpunkt, als sich im dortigen Priesterseminar die Zeremonie zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft an den Heiligen Vater abspielt.
Nachdem ich die kleine und ein wenig heruntergekommene Eisenbahnstation verlassen habe, mache ich mich zu Fuß in Richtung Tourismus-Information auf, die nicht weit vom Bahnhof entfernt ist, wo es nach meinen letzten Informationen möglich sein soll, die Eintrittskarten für das am folgenden Tag stattfindende Angelus-Gebet vorab abzuholen.
Diese Information stellte sich als falsch heraus, denn man musste sie an dem frühen Sonntagmorgen selbst am Info Point in der Via Mercatovecchio abholen, wie es auch schon von Anfang an geheißen hatte.
Dies alles stellte sich als sehr misslich für meinen Geldbeutel heraus, denn zu diesem Zeitpunkt fahren dort noch keine Autobusse und meine Unterkunft befindet sich in den Bergen.
Ein wenig verärgert, setze ich meinen Weg doch Richtung Domplatz fort.
Von der Viale Stazione ist der Weg doch kürzer als ich gedacht hatte.
Als ich auf der Piazza ankomme, blicke ich mich um und entscheide eine kurze Rast einzulegen und setze mich auf einen der Metallstühle, die bereits für den folgenden Tag aufgestellt wurden, genau vor der großen Fassade des Doms, der immer noch von den Sonnenstrahlen erleuchtet wird.
Meine nächste Sorge, abgesehen davon meine Unterkunft davon zu unterrichten, dass ich angekommen sei, war meine Freundinnen anzurufen, die sich schon seit einigen Tagen vor Ort befanden.
Ich nehme also mein Handy zur Hand und wähle die Nummer von Béatrice, denn von beiden ist sie diejenige die Italienisch versteht, aber sie hat ihr Handy entweder abgestellt, oder aber sie geht schlichtweg nicht ran.
Als Alternative entscheide ich mich, ihr eine SMS zu schicken. Ich werde immer besorgter und hinterlasse ihnen eine Nachricht in dem Hotel, in dem sie untergebracht sind. Man sagt mir dort, meine Freunde seien tatsächlich vor Ort und man versichert mir, dass man ihnen bei ihrer Rückkehr meine Nachricht ausrichten wird.
Meine sieben Sachen immer noch auf dem Rücken entscheide ich mich kurze Zeit später einen ersten kleinen Rundgang zu machen um mit dem Zentrum der Kleinen Stadt Brixen vertraut zu werden, die ich während meiner vorherigen Sommerurlaube in der Region noch nicht besucht hatte. Ich gehe am stillen und eindrucksvollen Gärtchen des Klosters vorbei und setze mich für einen Augenblick in die Kirche um das reich ausgestattete Innere im Barockstil zu betrachten.
Als ich mich umdrehe, finde ich mich, ganz unverhofft, genau wenige Schritte vom Haupttor des Großen Priesterseminars entfernt, als ich dort ankomme, erkenne ich nicht minder überrascht drei deutsche Teilnehmer unseres Forums: Eva, Marianne und Lilli, die ich sofort erkenne! Auch sie sind über unser Zusammentreffen sehr überrascht …
Mit elementaren Englischkenntnissen versuche ich ihnen zu erklären wer ich bin und auf wen ich warte, während ich genau in diesem Moment endlich und zu meiner großen Erleichterung, auch Michelle mit ihrem Mann Siegfried auftauchen und dazu stoßen.
Wir stellen einander vor, begrüßen uns und machen einige Gruppenfotos.
Freundlicherweise erklärt sich Siegfried sofort bereit meine sieben Sachen zu nehmen und er tut dies während des ganzen Weges.
Es ist bereits die Stunde des Abendessens gekommen und in Begleitung meiner beiden Freunde, die höflich und herzlich wie immer sind, in der beruhigenden Atmosphäre des Innenraums einer frischen und ruhigen typischen Hotel-Restaurants, lasse ich mir ein großes und exquisites Omelett gespickt mit Heidelbeeren schmecken, während unseres Gesprächs frische ich meine dürftigen, aber – wie ich merke – doch ausreichenden Deutschkenntnisse wieder auf.
Nach dem Abendessen bieten Michelle und Siegfried mir an, mich bis zu meinem Hotel zu begleiten und daher laufen wir in Richtung der Eisack-Brücke vor, auf der andere Seite der Brücke erkennt man schon die Pension “Grüner Baum” mit seiner niedrigen Fassade mit grünem Anstrich, wo auch die Ratzinger-Brüder und ihre Schwester Maria in der Vergangenheit öfters Quartier genommen haben, wie ein Ausschnitt aus einer Tageszeitung aus der Zeit, der mit Stolz an der Wand der Empfangshalle angebracht wurde, dort treten wir ein um nachzufragen, welches der kürzeste Weg sei zum “Garni Mayrhof”, wo ich mein Zimmer habe.
Man sagt uns, dass das „Garni Mayerhof“ ca. eine Viertelstunde zu Fuß entfernt ist und außerdem wird es schon dunkel: ich entscheide daher ein Taxi zu rufen, mit dem ich meinen Weg fortsetze (das kostete mich 10 Euro), das Taxi bestelle ich mir auch schon für den nächsten Morgen (nochmals für 10 Euro), denn das muss ich ja nehmen, um ins Zentrum von Brixen zu gelangen, über die gesamten drei Tage hinweg, die ich dort bleibe.
Wir wurde im letzten Stock des kleinen weißen Hauses ein Einzelzimmer mit Bad zugewiesen, dorthin gelangt man mittels einer beeindruckenden, aber ansonsten sehr unbequemen und engen Steintreppe.
Die alte und knochige Dame mit dem typischen und mir wohl vertrauten Akzent, die mich begleitet, dürfte wahrscheinlich die Mutter des Besitzers sein, mit dem ich schon vor Monaten am Telefon gesprochen hatte.
Als ich in das Zimmer eintrat und es mir einmal etwas genauer ansah, finde ich sie doch schöner als ich gedacht hatte und auch im Hinblick auf den Preis, den man mir dafür abverlangen würde.
Aus dem kleinen Fenster, das unter dem Dach angebracht war, sehe ich einen großen Apfelbaum. Rechts, im darunterliegenden Hof, liegt ein Stapel Feuerholz.
Das Panorama des Nordens der Stadt ist ein wenig trostlos und es wird unterbrochen von einer Serpentine der Provinzstraße, die nach Rasa hinausführt, von dort kommt von Zeit zu Zeit der schwache Lärm der wenigen vorbeifahrenden Autos.
Nur der Blumenkasten mit den roten Geranien, der am Balkon des ersten Stocks hängt bringt ein bisschen Farbe in die sonst trostlose Umgebung. Nach dem ich also meine sieben Sache ausgepackt und liebevoll in den Schrank verstaut hatte, lege ich mich unter die weiche Daunendecke, schlafe aber nicht sofort ein.
Einige dumpfe Schritte und einige kurze Lacher aus einem der Nebenzimmer führen mir vor Augen, dass ich in dieser Pension zu diesem Zeitpunkt dort nicht der einzige Gast bin.
Sonntag morgen stehe ich lange vor dem geplanten Termin auf, ich frühstücke bereits um sieben Uhr morgens im dunklen und feuchten Frühstücksraum im Erdgeschoss, der noch völlig leer ist, mit einigen wenigen Scheiben Schwarzbrot, Butter, Marmelade und Speck, und dies mit einer aromatischen Tasse Waldfrucht-Tee, unter dem schwachen und gelblichen Licht der kleinen Lampe aus Pergament.
Das Große Fenster vorne zeigt zum Garten hin, der reich an verschiedensten Pflanzen ist.
Genau um acht Uhr morgens taucht der gleiche nette Taxifahrer wieder auf, der mich schon am Vorabend begleitet hatte.
Das bequeme Auto gleitet quasi ohne je zu stoppen den gewundenen Berg hinab um mich nach ungefähr einer Viertelstunde an derselben Stelle wieder herauszulassen, wo ich auch gestern Abend zugestiegen bin.
Nachdem ich noch ein kleines Stück zu Fuß zurückgelegt hatte, hole ich schnell meine Eintrittskarte am dafür vorgesehenen Ort ab, dies stellte weder Probleme dar, noch musste ich Schlange stehen: mir wurde ein Stehplatz im Sektor “T”, zugewiesen, den ich über den seitlichen Eingang der “Porta d’oro” (Goldenes Tor) heißt, erreiche, an dem ich mich der Kontrolle durch Metalldetektoren unterziehen muss, die beharrlich im Innern meiner geräumigen Handtasche anschlägt.
Kurz darauf reicht mir im Eingangsbereich eine Freiwillige, die vor einem großen Stoß von kleinen Wasserflaschen steht, freundlicherweise eine in die Hand, die ich genüsslich trinke.
Obgleich ich schon früh am Platz war, ist der Sektor schon in großen Teilen gut gefüllt von einer Touristengruppe aus Venetien, ich vermag nicht genau zu sagen, aus welcher Provinz sie kommen, gut organisiert und ausgestattet, speziell mit praktischen Klappsitzen, die sie zusammengefaltet in den Rucksack gepackt haben, aus dem sie sich auch stärken mit Broten belegt mit Mortadella und mit verschiedenen Getränken, so als ob sie nicht auf dem Sagrato einer Kirche sich befänden, sondern an einer fröhlichen Wanderung teilnähmen.
Es gelingt mir, mich ihnen vorzustellen und ich schaffe es, obwohl nicht mehr so viel Platz ist, einen Platz in der ersten Reihe vor der Absperrung zu ergattern.
Es sind noch ca. zwei Stunden bis zum Beginn der Messe und in Erwartung dessen kann ich nicht anders als mich hinzusetzen, wenn auch etwas unbequem, am Rande einer Blumenbeetes, das im Übrigen gefüllt mit roter Erde ist, die noch von Feuchtigkeit durchzogen ist, als Kopfbedeckung dient mir dabei meine Ausgabe der Tageszeitung “Il Corriere delle Alpi” die ich mir kurz zuvor am Eingang genommen hatte und die ich offenkundig lieber gelesen hätte.
So auf dem Boden kauernd und zu dieser frühen Morgenstunde, wird mir fast kalt, obgleich ich eine Wind- und Wasser undurchlässige Jacke trage, aber es tröstet mich, dass sobald die Sonne hoch am Himmel steht, könnte ich mir den Schatten dieser großen Platane zu nutze machen.
Erst später, als ich verträumt auch die Fassade des Doms erblicke, den ich allerdings nur zu einem Teil sehen kann, wird mir bewusst, dass über meinem Kopf ein großer und potenter Lautsprecher aufgestellt und am Baumstamm befestigt wurde …
Ich will ein wenig weg davon, aber die wenigen Plätze, die in der Nähe noch zur Verfügung stehen, scheinen das Problem nicht zu lösen.
Sehr lange Zeit vor Beginn der Messe, machen einige Tontechniker einige ohrenbetäubende technische Proben und kurz danach beginnt auch der sehr große Chor, der in der Zwischenzeit seine Postation erreicht hat, genau vor mir, damit einige geistliche Gesänge mit klangvoller Stimme zu proben.
Die Zeit vergeht nur langsam und es ist eher langweilig.
Nun übergibt uns eine elegante, blonde Frau mit einem rosafarbenen Dirndl, mit Anmut die Büchlein, die die zweisprachigen Texte enthalten, damit man der Messe folgen kann.
In der Zwischenzeit sehe ich zum wiederholten Mal die beiden seltsam aussehenden Mädchen, die beide aus einem großen und wackeligen Plastikkorb kleine Flaschen Mineralwasser mitschleppten.
Auch stelle ich fest, dass viele der Sitzplätze, die für diejenigen reserviert worden waren, die danach gefragt haben, noch frei sind, ohne dass jemand davon schlauerweise Gebrauch macht.
Links von mir geht das ununterbrochene Kommen und Gehen in der Zwischenzeit munter weiter: scharenweise kommen Musikgruppen in ihren besten Anzügen mit ihren voluminösen Instrumenten, Fahnenabordnungen und Repräsentanten des öffentlichen Lebens verschiedenster Art, während zwei oder drei Freiwillige des ”Weißen Kreuzes”, die aus der Menge auf Grund ihrer floreszierenden Jacken hervorstehen, und von Zeit zu Zeit immer wieder genau unter die Lupe nehmen.
Genau zu diesem Zeitpunkt passiert es, dass als ich meinen Blick auf den neben mir liegenden Sektor schweifen lasse, der sich links von mir in der Nähe des Brunnens befindet. Ich mache plötzlich in der Menschenmenge zuerst Béatrice aus und einen Augenblick später, unter der großen Krempe eines Strohhutes und mit der Videokamera zum Filmen bereit in einer Hand, ihren Mann Vincent, der einige Schritte von ihr entfernt steht.
Aus einem Impuls heraus will ich sie auf dem Handy anrufen, aber dann fällt mir plötzlich ein, dass Bischof Egger höflich darum gebeten hatte, diese auszuschalten.
Deshalb versuche ich ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, durch ein langes Winken als Begrüßung. Aber auch diesmal zwecklos.
In den anderen Sektoren sticht die Sonne unterdessen sehr stark.
Jetzt stehen viele Personen an den Fenstern.
Die Atmosphäre ist feierlich, aber gediegen.
Der heitere und klare Himmel ist durchzogen von weißen Linien, die Flugzeuge hinterlassen haben, die als sie sich treffen für eine spezielle Szenographie sorgen.
Ein paar Helikopter überfliegen das Gebiet zwei Mal.
Als das „Angelus-Gebet” gebetet wird, kann ich von meiner Position aus nur gelegentliche Fragmente der Szenerie sehen, ich muss mich schon sehr stark auf die Zehenspitzen stellen, um über die Rücken der Leute blicken zu können, die schon seit einer Zeit vor meiner Nase stehen, während ich von dem was gesagt wird, alles mitbekomme. Ich muss achtgeben, dass ich auf Grund der Lautstärke nicht taub werde, denn es ist wirklich ohrenbetäubend.
Von diesen genannten Unannehmlichkeiten einmal abgesehen, tröstet und überrascht mich zur gleichen Zeit, das Gefühl der Vertrautheit, die ich spüre und die wir alle verspüren, die wir schon des Öfteren an solchen Veranstaltungen teilgenommen haben.
Nach dem Ende des Angelus-Gebets, gehe ich schnell in Richtung Ausgang und Bahne mir meinen Weg durch die euphorischen Menschenmassen um auf den Ort zuzugehen, an dem sich bis vor wenigen Augenblicken noch die beiden Freundinnen befanden und auch um die anderen wieder einzuholen. Dies aber vergeblich. Sie scheinen alle verschwunden zu sein. Ist es möglich, dass sie bereits gegangen sind? Ich sehe mich ein wenig desorientiert um, bis ich, mir einen Weg durch die Menschenmenge bahne die von überall her strömen, mich vor dem Altar wiederfinde, der fast komplett seines Blumenschmuckes beraubt wurde, diese wurden von den Pilgern als Souvenirs mitgenommen. Also ich mit Beharrlichkeit am Eingang de Sakristei ankomme, stoße ich unachtsamerweise mit dem korpulenten Kardinal Scola zusammen, der gerade weg geht und ich aus der Ferne nur Eva sehen kann, die sich schnell auf ein Ziel hin bewegt, dass ich nicht kenne.
Meine Vermutung, dass jemand mich geflissentlich übersehen und mir aus dem Weg gehen will, ist leider eine traurige Gewissheit geworden.
Auch die SMS, die ich Michelle versuche auf Deutsch zukommen zu lassen, erreicht sie nicht.
Der raffinierte Eisbecher, den ich ganz alleine zur Mittagsstunde esse, ist ebenso wenig süß genug, wie auch die langen Stunden mich nicht trösten können, die ich wartend vor dem Tor des Seminars verbringe, in der leider wagen und sich nicht erfüllenden Hoffnung, dass etwas Unvorhergesehenes geschehen könnte.
Es ist Montag morgen und nachdem ich meine Unterkunft definitiv verlassen habe, habe ich mich gemütlich an einen Tisch im Halbschatten im “Café am Graben” gesetzt, das neben dem Priesterseminar liegt, wo ich mir ganz entspannt eine sehr gute Tasse Kaffee schmecken lasse, während ich neugierig in den Seiten des schönen Buches “Mein geliebtes Südtirol” blättere, dass ich kurz zuvor vorne [an der Straße] im Geschäft gekauft habe, schaue ich in Gedanken versunken die schönen Fotos an, die den Kardinal Ratzinger im Urlaub mit seinem Bruder und seiner Schwester zeigen. Auch heute ist der Tag sonnig und Licht durchleuchtet und der Himmel ist quasi komplett klar, und nur mit einigen schneeweißen Wolken durchzogen, die in der Höhe zu sehen sind. Über die Buchsbaumhecke hinweg, die mich von der Straße trennt und die ich erst jetzt gesehen habe, sehe ich, wie zwei Mal eine Pferdekutsche vorbei kommt, die Touristen umher fährt.
Leider kann ich auch nicht an der Abschiedszeremonie am Morgen nicht teilnehmen, denn mein Zug zurück fährt schon gut zwei Stunden vorher ab. Ich gehe am Seminar vorbei und treffe dort ein weiteres Mal die sympathische Lilli und einen Amateurfotografen, der mir einige seiner Fotos verkauft, die Lilli ebenfalls spontan erwirbt.
Bereits so gegen 13 Uhr, schnalle ich mir wieder mein Gepäck auf den Rücken und gehe perplex in Richtung der Bahnstation.
Triest, 1. Dezember 2008
[Modificato da @Andrea M.@ 08/11/2009 17:40]